Projektergebnisse Osnabrück


Ergebnisbericht der Osnabrücker Erhebungsrunde 

Im Rahmen des Forschungsprojekts INFRASense wurde von April bis Juni 2024 über einen Zeitraum von zehn Wochen eine Datenerhebung in Osnabrück durchgeführt. Der Erhebung in Osnabrück gingen im Rahmen des Projekts weitere Erhebungsrunden in Oldenburg voraus. In diesem Ergebnisbericht werden der Ablauf der Osnabrücker Erhebungsrunde, Informationen über die Bürger:innenbeteiligung und Kennzahlen aus dem BIQEmonitor beschrieben. Daran anschließend werden zentrale Erkenntnisse aus den erhobenen Daten vorgestellt. Abschließend erfolgt ein Ausblick auf den weiteren Verlauf des Forschungsprojekts. 

Allgemeine Informationen über die Bürger:innenbeteiligung in Osnabrück

Das INFRASense Projekt beruht auf dem Citizen Science Ansatz, bei dem interessierte Bürger:innen an wissenschaftlichen Aktivitäten (Forschungsprojekten) beteiligt sind. Im Rahmen eines sogenannten Crowdsourcing waren insgesamt 234 Teilnehmende mit einem Fahrradsensor sowie weitere Teilnehmende per Smartphone-Messung an der Erhebungsrunde in Osnabrück beteiligt und haben ihre Radfahraktivitäten aufgezeichnet.  

Bei der Auswahl der Teilnehmenden wurde versucht, den Bevölkerungsdurchschnitt zu repräsentieren und Teilnehmende aus allen Stadtgebieten zu berücksichtigen. Die Angaben zu den PLZ-Gebieten der Teilnehmenden lässt sich  Abbildung 1 entnehmen.  In Bezug auf die  Angaben zum Geschlecht der Teilnehmenden, ordnen sich 51% dem weiblichen und 49% dem männlichen Geschlecht zu (vgl. Abbildung 2). Hinsichtlich der  Altersstruktur der Teilnehmenden, entfällt der größte Anteil (38%) auf die Altersgruppe der 46-65-jährigen. Danach folgt die Altersgruppe 29-45 mit 30%. 21% der Teilnehmenden gehören der Altersgruppe der 18-28-jährigen an und 11% entfallen auf 66-79-jährige Personen, vgl. Abbildung 2. Die Altersverteilung in der Stadt Osnabrück wird präzise abgebildet, wobei die Altersgruppen der 18- bis 25-Jährigen sowie der 45- bis 65-Jährigen leicht überrepräsentiert sind und die Altersgruppe 80+ auf Grund mangelnder Registrierungen nicht repräsentiert werden konnte. 

  Kennzahlen aus dem BIQEmonitor

Insgesamt konnten mehr als 23.000 Fahrten im Rahmen der Erhebungsrunden erfolgreich erfasst und verarbeitet werden, welche im BIQEmonitor zusammengefasst und visualisiert wurden, vgl. Abbildung 3. Die gefahrenen Strecken umfassen mehr als 76.000 mit dem Rad erfasste Kilometer, die erfolgreich verarbeitet werden konnten. Einige Fahrten konnten aufgrund z.B. unzureichendem GPS-Signal nicht verwertet werden und wurden hier nicht mit einbezogen.  

Zusammengerechnet liegt die Fahrtdauer der erfassten Strecken bei rund 175 Tagen. Der Anteil der mit Fahrradsensoren erfassten Fahrten liegt bei 86 %. Die verbleibenden 14% wurden mithilfe des Smartphones und der App BIQEmonitor erfasst. Im Durchschnitt wurden pro Teilnehmer:in 94 Fahrten durchgeführt, 315 mit dem Fahrrad befahrene Kilometer und 62.231 Datenpunkte erfasst. 

Die Anzahl an Fahrten und Nutzer:innen pro Tag kann Abbildung 4 entnommen werden. Hierbei ist zu erkennen, dass die meisten Fahrten zu Beginn der Erhebungsrunde (Anfang April 2024) zu verzeichnen sind. Im weiteren Verlauf des Erhebungszeitraums nimmt die Anzahl der Fahrten tendenziell ab.  

Abbildung 4: Verwertbare Fahrten während des Erhebungszeitraums

Abbildung 4: Verwertbare Fahrten während des Erhebungszeitraums   

ca. 23.000
erfolgreich verarbeitete Fahrten
 >76.000
mit dem Rad erfasste Kilometer
86%
aller Fahrten wurden mit dem INFRASense-Fahrradsensor erfasst
14%
aller Fahrten wurden mit dem Smartphone als Sensor erfasst

Darstellung der Durchfahrten als Heatmap

Aufgrund der großen Stichprobe können aussagekräftige Karten zur Verkehrsstärke (Heatmaps) erstellt werden, vgl. Abbildung 5. Diese geben interessante Details der Radverkehrsverteilung wieder. So kann die Wirksamkeit der Fahrradstraßen im westlichen Osnabrücker Stadtgebiet nachgewiesen werden. Die Katharinenstraße nimmt deutlich mehr Radverkehr auf als die parallele Hauptverkehrsstraße, die Martinistraße. Im südlichen Teil des Kartenausschnitts wird das “Fahrradstraßenkreuz” Laischaftsstraße/Heinrichstraße deutlich. 

Abbildung 5:Heatmap mit Anzahl der Durchfahrten in Osnabrück

                                                                 Abbildung 5: Heatmap mit Anzahl der Durchfahrten in Osnabrück

Weiterentwicklung während und nach der Erhebungsrunde   

Basierend auf den Datenauswertungen wurde ein Maß für die Bewertung der Gesamtqualität entwickelt. Die Gesamtqualität ist eine kombinierte Bewertung der Streckenabschnitte basierend auf der Oberflächenbeschaffenheit und den Zeitverlusten, welche zu gleichen Teilen einfließen. Diese Gesamtbewertung muss allerdings noch einmal überarbeitet werden, da sie zu einer Mittelung der Werte und somit zu einer geringeren Aussagetiefe führt. Nach diesen Erfahrungen besitzt die Einzelbewertung eine höhere Aussagekraft. 

Wie bereits im Fallbeispiel Oldenburg werden grundsätzlich sechs Qualitätsstufen (A bis F) verwendet, da dies dem üblichen Vorgehen in der Verkehrsplanung entspricht und entsprechend eingeübt ist. Die Akzeptanz wird auch dadurch weiter erhöht, da die sechsstufige Skala den üblichen Schulnoten entspricht.  

Die Bewertung der Zeitverluste orientiert sich an den Wunschgeschwindigkeiten, die jeweils für jede Fahrt ermittelt werden. Damit sind individuell unterschiedliche Geschwindigkeiten der Radfahrenden neutralisiert. Zeitverluste beinhalten dabei implizit alle Störfaktoren. Diese werden dadurch deutlich, dass die Radfahrenden von ihrer individuellen Wunschgeschwindigkeit abweichen. Diese Ergebnisse lassen sich sowohl in einer Übersichtskarte als auch in einer Detailanalyse für Strecken darstellen. 

Um einzelne Streckenabschnitte detaillierter zu untersuchen, gibt es nun eine Ad-Hoc-Detailanalyse, die nach Klick auf einen Streckenabschnitt über das Popup-Fenster aufgerufen werden kann. Darüber lassen sich die Metriken von BIQEmonitor über den gesamten Erhebungszeitraum nach Fahrtrichtung unterschieden betrachten, um so temporäre Veränderungen wie beispielsweise höhere Zeitverluste aufgrund von Baustellen zu betrachten. In Abbildung 6 findet sich ein Beispiel für die Entwicklung der Zeitverluste in der Katharinenstr. 

Abbildung 6: Detailanalyse für Streckenabschnitte Abbildung 6:  Detailanalyse für Streckenabschnitte

Ähnlich der Detailanalyse für Streckenabschnitte gibt es diese Darstellung auch für Knotenpunkte. Prinzipiell können alle Knotenpunkte, egal ob sie signalisiert sind oder nicht, für alle Fahrbeziehungen analysiert werden. Im Ergebnis stehen damit die Warte- und die Verlustzeiten, das Abweichen von einer ungehinderten Durchfahrt des Knotenpunktes. Auch für Knotenpunkte wurden in Osnabrück, mit der Gesamtqualität der Knotenpunkte in der Übersicht und der Detailansicht der Fahrbeziehungen, zwei Darstellungen gewählt. Auf diese Weise ist auch bei Auffälligkeiten in der Übersichtskarte des BIQEmonitor eine vertiefende Analyse möglich. Für die Bewertung der einzelnen Knotenpunkte wurde der schlechteste Strom ausgewählt, allerdings nur, wenn er mehr als fünf Prozent der Gesamtverkehrsmenge des Knotenpunktes ausmacht. Dies stellt einen Unterschied zur üblichen Bewertung von Knotenpunkten für den Kfz-Verkehr dar, wo diese Untergrenze nicht gilt.  

Abbildung 7: Detailanalyse für Knotenpunkte Abbildung 7:  Detailanalyse für Knotenpunkte

Zentrale Erkenntnisse aus den Daten der Erhebungsrunden    

Die gesammelten Fahrraddaten wurden im BIQEmonitor automatisch ausgewertet und als aggregierte Daten visualisiert, also die Summe aller in der Erhebungsrunde erfassten Fahrraddaten.  Diese Übersichtskarten im BIQEmonitor sind für die Öffentlichkeit unter  www.biqemonitor.de  mit diversen Kennzahlen wie den Erschütterungen, Zeitverlusten, Geschwindigkeiten, Anzahl der Durchfahrten, etc. Verfügbar.  

Die gesammelten Daten zeigen, insbesondere bei Betrachtung der Knotenpunkte, eine differenzierte Radverkehrsqualität in der Stadt Osnabrück an. Es sind Bewertungen über das gesamte Spektrum vorhanden. 

Dabei ist auffällig, dass die Gesamtbewertung eines Knotens in vielen Fällen von der Hauptverkehrsrichtung des Kfz-Verkehrs abhängig ist. Ist die Durchfahrtsrichtung des Radverkehrs gleich dem Hauptstrom des Kfz-Verkehrs an einem Knoten, so ist die Gesamtbewertung tendenziell besser, da bei entsprechend hohem Verkehrsaufkommen des Kfz-Verkehrs auch die Signalprogramme entsprechend programmiert sind. Durch das Übereinanderlegen der Gesamtbewertung der Knotenpunkte und der in Abbildung 4 dargestellten Heatmap der Durchfahrten können, systematisch und auf Grundlage objektiver Daten, Knotenpunkte identifiziert werden, die im Netzzusammenhang für den Radverkehr bedeutsam sind. Im Anschluss könnte das Signalprogramm entsprechend angepasst werden, um den Radverkehr durch die Reduzierung von Warte- und Verlustzeiten zu fördern.  

Diese Beobachtung trifft insbesondere auf den Arndplatz im Westen Osnabrücks zu. Hier endet die aus Richtung Süden kommende Heinrichstraße, in der der Radverkehr als Fahrradstraße geführt wird. Abbildung 7 zeigt, dass Radfahrende zu großen Teilen die Martinistraße queren und in Richtung Norden weiterfahren. Ein Blick auf die Knotenpunktanalyse zeigt, dass die Verkehrsqualität aus Sicht des Radverkehrs mit der Zeitverlustklasse “C” bewertet wurde. Dabei ist auffällig, dass die Nord-Süd-Richtung, verglichen mit der Ost-West-Richtung, eine deutlich höhere Verlustzeit aufweist. Die hohe Anzahl der Durchfahrten an diesem Knoten verdeutlicht die Bedeutung dieses Knotenpunktes im Radverkehrsnetz der Stadt Osnabrück.

Abbildung 8: Anzahl der Durchfahrten am Arndplatz (Ausschnitt)

 Abbildung 8:  Anzahl der Durchfahrten am Arndplatz (Ausschnitt)

Neben diesen voreingestellten Analysemöglichkeiten können diese Daten auch in die Geoinformationssysteme (GIS) der Kommunen übernommen werden. Dies ermöglicht weitergehende Auswertungs- und Analysemöglichkeiten, insbesondere die Verknüpfung mit bestehenden Daten im GIS der Kommune oder weiteren verfügbaren Daten, die nicht im Rahmen von INFRASense erhoben worden sind. Hier öffnet sich noch ein weites Feld für die Implementierung der Daten zur Radverkehrsqualität und deren weiterer Verwendung im Planungsprozess, beispielsweise zum Zwecke der Evaluation des Radverkehrsnetzes oder einzelner Maßnahmen der Radverkehrsförderung. Die von INFRASense gesammelten Daten werden über eine API-Schnittstelle bereitgestellt, sodass eine individuelle Auswahl verschiedener Metriken und räumlicher Ausschnitte möglich ist.  

In Osnabrück besteht insbesondere die Möglichkeit die von INFRASense gesammelten Daten mit bestehenden Datensätzen zu Oberflächenbelägen zu verschneiden, da Erschütterungsdaten mithilfe der verwendeten Sensorik nicht immer trennscharf kategorisierbar sind. Mithilfe dieser Einteilung kann INFRASense möglicherweise weitere tiefergehende Aussagen über den Zustand der Oberfläche treffen, als es ohne diese Daten möglich wäre. 

Städtische Haltung und Nutzung der Daten

Ziel der Stadt Osnabrück ist es, den Radverkehrsanteil durch die Verbesserung der Radinfrastruktur weiter zu steigern. Durch die Beteiligung am Projekt erlangt die Stadt zum einen Kenntnisse darüber, welche Strecken von Radfahrenden stark frequentiert werden und welche weniger genutzt sind. Diese Informationen können beispielsweise bei der Priorisierung von Sanierungsmaßnahmen und beim Winterdienst-Radnetz helfen. Zudem lässt sich aus den Daten ableiten, welche Infrastruktur gut angenommen wird, wie etwa die Fahrradstraßen in der Wüste.

Ein weiterer Fokus liegt auf der Qualität und dem Zustand der Radwege. Streckenabschnitte, die sich insgesamt in einem schlechten Zustand befinden, sollen bei der Priorisierung von Instandhaltungsmaßnahmen besonders berücksichtigt werden. Auch Daten zu Wartezeiten an Kreuzungen und Ampeln sind für die städtische Verkehrsplanung hilfreich.

Durch die Integration des mit Hilfe von INFRASense erfassten Datenbestands in das kommunale Geoinformationssystem (GIS) wird der vorhandene Datenbestand erweitert und verifiziert. Mittelfristig sollen die hier gewonnen Daten mit Daten aus weiteren Forschungsprojekten zum Rad- und Fußverkehr zu einem umfassenden Informations- und Planungssystem zusammengefasst werden. 

Ausblick

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt (September 2024) befindet sich das Forschungsprojekt INFRASense in seiner finalen Projektphase. Neben der konkreten Auswertung der erhobenen Daten in Osnabrück, steht das Projektteam im engen Austausch mit der Stadt Osnabrück. Hierbei nimmt die Diskussion über die Verwertung der Projektergebnisse einen zentralen Stellenwert ein.   

Bis zum Ende des Förderzeitraums Ende Oktober 2024 befasst sich das Team von INFRASense weiterhin mit einer ausführlichen Analyse und Aufbereitung der Projektergebnisse. Die zentralen Erkenntnisse werden dann im Rahmen der INFRASense Abschlussveranstaltung vorgestellt. Diese findet am 21. Oktober 2024 als Präsenzveranstaltung in Oldenburg statt. Die Teilnahme steht grundsätzlich allen Interessierten frei. Wir freuen uns über Fachpublikum aus dem Verkehrsbereich genauso wie über ehemalige Teilnehmende der Erhebungsrunden oder die interessierte Öffentlichkeit. Eine Anmeldung zur Veranstaltung ist HIER möglich.